Aachen, 26. November 2021. Rwothomio Gabriel von der Bildungskampagne No White Saviors problematisiert den Voluntourismus junger Menschen insbesondere in Afrika in einem am 24. Oktober bei Zeit-Online erschienenen Interview. Voluntourismus ist eine Zusammensetzung des englischen Wortes Volunteering für Freiwilligendienst sowie des Wortes Tourismus. Es beschreibt Freiwilligendienst-Einsätze, die nur von sehr kurzer Dauer und wenig echter Auseinandersetzung mit dem jeweiligen Land und der Kultur geprägt sind. Gleichzeitig werben Mitgliedsorganisationen des Sozialen Dienstes für Frieden und Versöhnung (SDFV) im Bistum Aachen für einen Freiwilligendienst im Ausland. Ein genauer Blick auf Voluntourismus und die Organisation von Freiwilligendiensten durch Mitglieder des SDFV zeigt, warum die Kritik an Voluntourismus berechtigt, ein Freiwilligendienst unter den richtigen Voraussetzungen dennoch von großem Nutzen für alle Beteiligten ist.
Es gibt kommerzielle Anbieter, die jungen Menschen gegen viel Geld einen mehrwöchigen Freiwilligendienst anbieten, um in einem sozialen Projekt zu helfen. Hierauf bezieht sich die berechtigte Kritik von Rwothomio Gabriel im Online-Magazin der Zeit.
Die mehrwöchigen Einsätze haben kaum Nutzen und richten im schlimmsten Fall Schaden an. Denn die kommerziellen Anbieter sorgen mit ihrem Geschäftsmodell mitunter dafür, dass der bereits angespannte lokale Arbeitsmarkt von kostenlos arbeitenden Arbeitskräften noch weiter belastet wird. Auch gibt es keine Partnerschaften auf Augenhöhe – im Gegenteil: Die Freiwilligen werden zu Tourist*innen, die kommen und gehen, die Organisationen werden zu reinen Dienstleister*innen. Die unzureichende Vor- und Nachbereitung der Einsätze verhindert einen reflektierten Freiwilligendienst und eine nachhaltige Auseinandersetzung mit globalen Zusammenhängen.
Klar vom beschriebenen Voluntourismus zu unterscheiden ist ein Freiwilligendienst, in welchem junge Menschen pädagogisch begleitet in Einsatzstellen zivilgesellschaftlicher Partnerorganisationen über einen Zeitraum von einem Jahr unterstützend mitarbeiten und wichtige Erfahrungen und Sozialkompetenzen mitnehmen. Träger des Freiwilligendienstes sind gemeinnützige Vereine oder kirchliche Institutionen, die meist von staatlich finanzierten Programmen wie dem weltwärts-Programm der Bundesregierung gefördert werden und deren Arbeit von neutralen Stellen zertifiziert ist.
Diese Art des Freiwilligendienstes fördert den interkulturellen Austausch und ist so ein nachhaltiges Angebot der Persönlichkeitsentwicklung im Einsatz für Gerechtigkeit und Frieden in einer von globalen und lokalen Krisen geschüttelten Welt.
Im Bistum Aachen gibt es den Trägerkreis „Sozialer Dienst für Frieden und Versöhnung“ (SDFV), in welchem sich verschiedene Organisationen zusammengeschlossen haben. Seit mehr als 20 Jahren entsenden die Mitgliedsorganisationen junge Menschen zu ihren Partnern im globalen Süden und Osten. In einem Auswahlprozess werden diejenigen jungen Menschen als Freiwillige gewählt, die den Freiwilligendienst als Lerndienst auf Augenhöhe mit den Menschen und Partnerorganisationen in den Einsatzländern verstehen.
Einmal ausgewählt, werden die Freiwilligen intensiv auf ihren Dienst vorbereitet, unter anderem auch mit Lerneinheiten zum Thema Critical Whiteness („Kritisches Weiß-Sein“). Mit einem Einsatz im Rahmen eines zertifizierten Freiwilligendienstes werden keine einheimischen Fachkräfte ersetzt. Denn Grundsatz eines jeden Freiwilligendienstes ist die Arbeitsmarktneutralität.
Mitglied im SDFV sind unter anderem der Bund der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ) im Bistum Aachen sowie die Kinder- und Jugendverbände Katholische junge Gemeinde (KjG) und die Deutsche Pfadfinderschaft St. Georg (DPSG). Die Verbände pflegen seit vielen Jahren eine freundschaftliche und sehr persönliche Partnerschaft mit Organisationen in Kolumbien. Das kommt auch den Freiwilligen zugute: Der Soziale Dienst für Frieden und Versöhnung bietet jungen Menschen die Möglichkeit, ihre Stärken in die Arbeit der Partnerorganisationen vor Ort einzubringen und vor allem viel zu lernen: Über sich, globale Verstrickungen, andere Lebensrealitäten und Perspektiven und natürlich über Kolumbien.
Im Rahmen der mittlerweile 60-jährigen Partnerschaft des Bistums Aachen mit Kolumbien entsenden der BDKJ, die KjG und die DPSG jedes Jahr insgesamt 4 Freiwillige nach Kolumbien. Die Freiwilligendienstprogramme der Kinder- und Jugendverbände werden regelmäßig geprüft und sind bereits mehrmals mit dem „Gütezeichen Internationale Freiwilligendienste“ ausgezeichnet worden. Das Gütezeichen steht für Qualität im Bereich der Freiwilligendienste. Da der Soziale Dienst für Frieden und Versöhnung durch das Programm „weltwärts“ vom BMZ gefördert wird, entstehen für die Freiwilligen keine Kosten. Es ist ein geschenktes Jahr, aber kein verschenktes Jahr, welches die jungen Menschen und ihren weiteren Lebensweg nachhaltig prägt und in ihrer Entwicklung beeinflusst.
Für eine Ausreise im Sommer 2022 können sich Interessierte noch beim BDKJ Aachen sowie der DPSG Aachen bewerben. Weitere Informationen gibt es hier.